NL 2025_1 Prävention von Gewalt am Arbeitsplatz
Gewalt und Aggressionen gehören leider zum Arbeitsalltag vieler Spitex-Mitarbeitender. Um die Sicherheit der Beschäftigten zu gewährleisten, bietet der Spitex Verband Solothurn seinen Mitgliedern in Kooperation mit der Fachstelle Mobbing und Belästigung Beratung und Unterstützung. Im Interview mit Prof. Dr. Filipa Pereira und Prof. Dr. Rafaël Weissbrodt erfahren Sie, welche Strategien helfen, Übergriffe zu verhindern und angemessen darauf zu reagieren.
Gewaltprävention in der Spitex: Ein vorausschauender Umgang ist essenziell
Der Spitex Verband Solothurn bietet seinen Mitgliederorganisationen durch eine Kooperation mit der Fachstelle Mobbing und Belästigung Zugang zu Beratung und Informationen.
Spitex-Mitarbeitende sind in ihrem Arbeitsalltag verschiedenen Risiken ausgesetzt, darunter auch verbale und körperliche Übergriffe. Ein vorausschauender Umgang mit Aggressionen und Gewalt ist daher essenziell, um die Sicherheit der Mitarbeitenden zu gewährleisten. Im folgenden Interview geben Prof. Dr. Filipa Pereira und Prof. Dr. Rafaël Weissbrodt von der Hochschule für Gesundheit Wallis (HES-SO) Einblicke in die Thematik und zeigen auf, welche Strategien Arbeitgeber ergreifen können, um Gewalt vorzubeugen und adäquat darauf zu reagieren.
Interview:
Spitex Magazin: Der Umgang mit Aggressionen ist in den letzten Jahren immer stärker in den Fokus gerückt. Welche Bedeutung hat dieses Thema im Gesundheitswesen?
Rafaël Weissbrodt (RW): Die Prävention von Aggressionen ist im Bereich der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes oft weniger sichtbar als beispielsweise die Vermeidung von Unfällen oder Rückenbeschwerden. Dabei stellt Gewalt ein erhebliches Risiko dar – sowohl in Bezug auf die Häufigkeit als auch auf die Schwere der Vorfälle.
Spitex Magazin: Welche Formen von Übergriffen treten am häufigsten auf?
Filipa Pereira (FP): Studien zeigen, dass verbaler Missbrauch am häufigsten vorkommt, darunter Anschreien, rassistische Beleidigungen und Drohungen. Körperliche Angriffe wie Spucken oder Schläge betreffen je nach Studie zwischen 2,5 und 44 Prozent der Mitarbeitenden. Zudem berichten rund 14 Prozent von sexueller Belästigung. Auch Angriffe durch Haustiere kommen vor.
Spitex Magazin: Welche Faktoren begünstigen aggressive Verhaltensweisen gegenüber Spitex-Mitarbeitenden?
RW: Je mehr für eine Klientin oder einen Klienten auf dem Spiel steht, desto eher kann es zu aggressivem Verhalten kommen. Manche Menschen erleben bestimmte Handlungen des Fachpersonals als bedrohlich oder unangemessen und reagieren entsprechend. Auch Faktoren wie neurokognitive Störungen, Substanzmissbrauch oder Sprachbarrieren können das Risiko erhöhen.
FP: Menschen mit neurokognitiven Störungen wie Alzheimer zeigen beispielsweise häufig Verhaltensweisen, die als aggressiv empfunden werden, oft als Reaktion auf Verwirrung oder Angst. Diese Verhaltensweisen sind jedoch eher defensiv als böswillig motiviert.
Spitex Magazin: Welche Maßnahmen sollten Spitex-Organisationen ergreifen, um ihre Mitarbeitenden zu schützen?
RW: Es gibt drei Hauptkategorien von Präventionsmaßnahmen: organisatorische, technische sowie Ausbildungs- und Informationsmaßnahmen. Dazu gehören eine durchdachte Arbeitsorganisation, Schulungen zur Erkennung und Bewältigung von Gefahrensituationen sowie technische Maßnahmen wie Warnsysteme für den Fall eines Übergriffs.
FP: Spitex-Organisationen sollten klare Richtlinien für den Umgang mit Übergriffen festlegen, psychologische Unterstützung sowie Debriefings anbieten und Mitarbeitende in Gewaltprävention und Deeskalation schulen. Gruppen zum Erfahrungsaustausch fördern den Zusammenhalt im Team, während eine Risikobewertung und rechtliche Unterstützung helfen, zukünftige Vorfälle zu vermeiden.
Spitex Magazin: Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur in der Gewaltprävention?
RW: Ein Betriebsklima, in dem Mitarbeitende offen über Sorgen sprechen können, trägt entscheidend zur Gewaltprävention bei. Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen dem psychologischen Sicherheitsgefühl und der Prävention von Gewalt. Unternehmen, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen, sind besser auf den Umgang mit Gewalt vorbereitet.
Fazit: Die Prävention und der Umgang mit Gewalt am Arbeitsplatz sind für Spitex-Organisationen essenzielle Themen. Eine klare Strategie, präventive Maßnahmen und eine offene Unternehmenskultur können dazu beitragen, das Risiko für Mitarbeitende zu minimieren und ein sicheres Arbeitsumfeld zu schaffen.
Mehr dazu lesen Sie im vollständigen Interview im aktuellen Spitex Magazin.
Quelle: Spitex Magazin / Ausgabe Nr.1 Februar/ März 2025